21. Juli: Drogentod vermeiden - Substitution individualisieren

Weiße Rose vor weißem Hintergrund | Luis Quintero, pexels.com21. Juli 2021 - Eine der effektivsten Maßnahmen nicht nur zur Prävention von HIV- und Hepatitis-C-Infektionen, sondern auch um das Risiko eines Drogen-bezogenen Todesfalls zu reduzieren, ist die Substitutionsbehandlung. Darauf weist die Aidshilfe NRW anlässlich des Internationalen Gedenktags für verstorbene Drogengebraucher*innen am 21. Juli hin.
Aktuell wird jedoch nur ca. die Hälfte aller Menschen mit Opiod-Abhängigkeit in Deutschland substituiert.

„Die Substitution muss bedarfsgerecht, niedrigschwellig und individualisiert sein“, erklärt Arne Kayser, Landesvorsitzender der Aidshilfe NRW. „Die erneut dramatisch gestiegene Zahl der Drogentodesfälle im letzten Jahr hat gezeigt, dass wir immer noch nicht genug Menschen mit einer Substitutionsbehandlung und flankierenden Angeboten erreichen. Auch nach der Pandemie muss die Angebotspalette dringend aufrechterhalten, ausgebaut und den Lebensrealitäten drogengebrauchender Menschen angepasst werden.“

401 Menschen sind in NRW im vergangenen Jahr an den Folgen ihres Drogenkonsums verstorben. Die Drogentodesfälle sind damit 2020 um 37 Prozent im Vergleich zu 2019 gestiegen – auch eine Folge von zeitweise weggebrochenen Unterstützungsangeboten in der Corona-Pandemie, so die Einschätzung der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig.

Der Zugang zur Substitutionsbehandlung für Menschen ohne Krankenversicherung ist ein weiterer Schritt, um eine besonders vulnerable Zielgruppe sozial wie gesundheitlich stabilisieren zu können. Hamburg ist hier im letzten Jahr durch das unbürokratisch realisierte Modell der niedrigschwelligen Substitutionsambulanz vorangeschritten – ein Modell, das zahlreiche Menschen nicht nur den Weg in die Substitutionsbehandlung, sondern schließlich auch in die
Krankenversicherung geebnet hat. Auch nach Corona können Angebote dieser Art eine sinnvolle Ergänzung sein, um diese ansonsten schwer erreichbare Gruppe zu versorgen.

Auch wenn NRW bundesweit Spitzenreiter ist, was die Substitutionsquote im Vollzug angeht, darf nicht vergessen werden, dass die Substitution in Haft vielfach immer noch als Maßregel- und Sanktionierungsinstrument missbraucht wird und
der Zugang und die Fortsetzung der Behandlung vom guten Willen der Anstaltsärzt*innen abhängen. Insbesondere beim Übergang von Haft in die Freiheit ist eine nahtlose Substitution sicherzustellen, um Überdosierungen an dieser nachweislich besonders gefährlichen Schnittstelle vorzubeugen.

„Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig schadensmindernde und stabilisierende Angebote von Aids- und Drogenhilfen sind“, sagte Kayser. Neben der rein medizinischen Komponente der Substitution trägt für viele auch die Psychosoziale Begleitung (PSB) zur Stabilisierung bei. Die PSB muss nachhaltig abgesichert und finanziert werden – für die, sie sie möchten und benötigen. „Weitere wirksame und evidenzbasierte Instrumente sind längst bekannt: bedarfsgerechte Konsumutensilienvergabe (z.B. sterile Spritzen) – auch in Haft –, Drogenkonsumräume, der Ausbau von niedrigschwelligen HIV- und Hepatitis-C-Beratungs- und Testangeboten und der Behandlung, die Vergabe des Notfallmedikaments Naloxon und Drug-Checking-Angebote. Dazu gehört auch der Ausbau von Angeboten der Diamorphin (Originalstoff)-Vergabe. In allem muss sich das Land bewegen“, forderte Kayser.

Der 21. Juli bietet sowohl einen Rahmen für individuelles Gedenken an verstorbene Freund*innen als auch die Gelegenheit, für die drogenpolitischen Missstände zu sensibilisieren, die für das Sterben mitverantwortlich sind. Eine bundesweite Übersicht über Aktionen und Veranstaltungen sowie weiterführende Informationen finden Sie unter gedenktag21juli.de.